In eigener Sache: Etwas zu beginnen, erfordert Mut – etwas zu beenden, noch mehr
25.03.2019
Das Internet war gerade mal sieben Jahre alt, als 1996 bei drei Ur-Einbeckern der Gedanke reifte, neben der offiziellen Stadt-Homepage ein Regionalportal für Einbeck und Umgebung im Netz aufzubauen. Dieses sollte von Beginn an thematisch möglichst breit aufgestellt sein. Breiter als es eine städtische Website zu dem Zeitpunkt sein konnte. Alle Aspekte von Kultur, Wirtschaft, Tourismus usw. sollten abgedeckt werden, das städtische Leben mit all seinen Facetten Einzug halten in das digitale „Neuland”.
Es war klar, dass so ein Vorhaben in dieser frühen Phase der digitalen Welt ausschließlich mit viel Enthusiasmus gelingen kann. Niemand erlag dem Irrglauben, dass sich eine solche Plattform wirtschaftlich selbst tragen könnte. Man bedenke: seinerzeit gab es doch tatsächlich nicht wenige Stimmen, die die baldige Wieder-Abschaltung des Internets prophezeiten. Man fühlt sich sogleich an Kaiser Wilhelm II erinnert, der einst sagte: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung”. Nun gut. Wie reagiert man als junger, zukunftsorientierter Mensch auf solche weisen Aussagen? Logisch, mit einem beherzten „jetzt erst recht!”. Also ging kurze Zeit später, vor nunmehr über 22 Jahren, das Portal einbeck-city.de online.
Offenbar hatten wir den Nerv der Zeit getroffen, denn die Zugriffszahlen schnellten zügig nach oben. Das Echo war enorm und durchweg positiv. Eine solche Plattform fehlte und wurde dankbar angenommen. Von den Einwohnern Einbecks ebenso wie von Besuchern der Stadt. Über die Jahre wurde das Angebot stetig ausgeweitet und ergänzt. Ob Ärzte- und Apotheken-Notdienst, das Kinoprogramm, Gewinnspiele, Fotodokumentationen von Stadtfesten, Informationen zu Vereinen und sozialen Einrichtungen – all das fand man zentral auf einbeck-city.de oder angegliederten, separaten Themenwebsites. Wie z.B. eulenfest.de, die im Oktober 2001 den sagenhaften, bis heute ungebrochenen Rekord von über 1 Mio Seitenaufrufen erreichte. Wohlgemerkt, wir leben in Einbeck, nicht in München.
Ein Meilenstein wurde sicher erreicht, als es gelang, den Journalisten Frank Bertram zu gewinnen und eine regelmäßige Berichterstattung über die Geschehnisse in der Stadt zu etablieren. Nun gab es also News, aktueller als an manch anderer Stelle. Und daneben eine wöchentliche Kolumne, die über die Zeit für viele zur Sehnsuchtslektüre am Freitag wurde.
Ein weiterer Höhepunkt in der Entwicklung des Regionalportals war schließlich der Aufbau der Einbeck App vor vier Jahren. Für eine Kleinstadt wie Einbeck war das ein bedeutender Schritt nach vorne. Endlich gab es alle Infos auch unterwegs auf dem Smartphone. Neuartige Services, wie die automatische Erinnerung an die Müllabfuhrtermine, waren zu einer Zeit, zu der es die offiziellen Informationen nur als gedrucktes Heftchen gab, ein viel beachtetes und gern genutztes Angebot. Mit der App gelang es 2015 auch erstmals, Partner zu gewinnen, die die Vision einer modernen Stadt teilten. Allen voran seien die Stadtwerke Einbeck genannt, ohne deren Engagement der Aufbau der Einbeck App nicht möglich gewesen wäre. Später halfen die EWG, die Sparkasse und die Volksbank mit, das Angebot um einen Veranstaltungskalender, Wohnangebote usw. zu bereichern. All diesen sei an dieser Stelle aufs Herzlichste gedankt für den Mut, die Weitsicht und das treffende Gefühl, was eine zukunftsgerichtete Stadt ausmacht.
Eine großartige Erfolgsgeschichte, die das Regionalportal einbeck-city.de mitsamt der Einbeck App über einen so langen Zeitraum geschrieben hat. Vor allem getrieben von einer Unmenge an Lokalpatriotismus weniger Menschen.
Mittlerweile sollte man davon ausgehen, dass der auch in anderem Zusammenhang berühmt gewordene Begriff des „Neulands” seine Bedeutung vollends verloren hat. Dass die digitale Kommunikation in den Menschen fest verankert und das Streben nach zeitgemäßer Darstellung selbstverständlich ist. Doch das ist leider ein Trugschluss. Es scheint, als haben die Nachfahren der damaligen „das Internet wird wieder abgeschaltet”-Zweifler den Weg aus der Dunkelheit gefunden. Die Zauderer, die Mutlosen, die jede Entwicklung nach vorne skeptisch betrachten und lieber alles so lassen wollen, wie es ist. Wenn nicht gar lieber einen Schritt zurück gehen. Weil der Wandel so ungemütlich ist und im Zweifel sogar anstrengend. Dabei sagte schon der französische Schriftsteller und Nobelpreisträger André Gide (1869-1951) so treffend: „Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren”. Schade nur, dass solche Worte unbeachtet verhallen.
Da kann man drüber hinwegsehen, diese Menschen gar ignorieren. Außer, sie sind offiziell zuständig für Themen der Außendarstellung und des Marketings des Standortes. Dann wird es erst mühsam und irgendwann ärgerlich. Und es kommt der Moment, da stellt man sich unweigerlich und zurecht die Frage, warum man eigentlich seine Heimatstadt über so viele Jahre und Jahrzehnte voranzubringen versucht, wenn die Verantwortlichen selbst offenbar kein ernsthaftes Interesse daran haben. Oder es an Kompetenz mangelt.
Aber es wäre müßig, sich lange damit zu befassen. Es wäre Zeitverschwendung und im Ergebnis irrelevant. Wie immer im Leben muss man mit der Situation umgehen, wie sie ist. Ein letztes Zitat soll daher den Weg zur Antwort weisen: „Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, sondern mit den Augen die Tür zu finden”. Das sagte Werner von Siemens (1816-1892). Recht hat der Mann. Wir haben die Tür gefunden. Es steht „Ausgang” drauf.
Das Regionalportal einbeck-city.de und die Einbeck App werden mit Ablauf des März 2019 abgeschaltet.
Nicht ohne Wehmut, aber das ist nach so langer Zeit auch in Ordnung. Wir wünschen Einbeck für die digitale Zukunft alles Gute und hoffen inständig, dass die modernen, zukunftsgewandten Menschen mit Visionen die Oberhand zurückgewinnen und der Stadt wieder eine Perspektive geben, die bevorstehenden Herausforderungen der Digitalisierung einer Kleinstadt angemessen zu meistern.
Mark-Oliver Müller
Gründer und Betreiber einbeck-city.de
PS: Und sollten die Guten gewinnen, finden wir vielleicht auch unseren Enthusiasmus wieder und helfen erneut mit Engagement mit. Warten wir's ab ...
Herzlichen Dank!
Neben den bereits genannten Unterstützern der
Einbeck App möchte ich mich bei Frank Bertram für die jahrelange, sehr
angenehme und professionelle Zusammenarbeit bedanken. Schade, dass es
die Kolumne nun nicht mehr gibt. Ich werde sie, wie sicher viele andere,
vermissen. Weiterhin gebührt mein Dank natürlich meinem Team von alto.,
das über all die Jahre mit hoher Motivation die regionalen Plattformen
vorangetrieben hat, wohlwissend, dass das einem Ehrenamt gleicht. Danke
Euch! Ab sofort dürft Ihr Eure ganze Kraft auf all die anderen
spannenden Digitalisierungsprojekte richten. Und zuletzt gilt mein Dank
natürlich all den Besuchern und Benutzern der Einbeck-Plattformen. Ohne
Euch und Sie wären die vergangenen 22 Jahre gar nicht Realität geworden.
Danke für die zahlreichen Anregungen, Hinweise, Wünsche und auch das
Lob und die Kritik. Es hat Spaß gemacht, für Euch/Sie zu arbeiten.
Abschließend für die Statistik-Freaks noch eine Zahl zum Selbertüfteln:
Im Durchschnitt ist in den vergangenen 22 Jahren jeder Einwohner
Einbecks (vom Baby bis zum Senior) jeden Monat knapp dreimal auf
einbeck-city.de gewesen. Ziemlich große Zahl. Danke für das Vertrauen!